Wie wollen wir leben?
Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen – sagte einst der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Diesem Motto widersprechen wir. Denn genau das ist es, was wir brauchen: eine Vision, eine Vorstellung, wie wir leben wollen.
Wie sieht eine lebenswerte Stadt aus?
Sehr viele Menschen leben heute in Städten. Deshalb fragen wir uns: wie stellen wir uns eine lebenswerte Stadt, einen lebenswerten Kiez vor? Zwei Hauptprobleme verschärfen die Lage der Menschen zusehends: Erstens die Klimakrise und zweitens die soziale Ungerechtigkeit. Die steigenden Temperaturen führen zu immer mehr Überhitzung und Unwettern, die soziale Ungerechtigkeit führt dazu, dass sich immer weniger Menschen lebenswerten Wohnraum leisten können oder ganz aus ihren Kiezen verdrängt werden.
Dazu kommt die demokratische Frage: inwieweit können die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Kiez eigentlich die Entwicklung ihres Lebensraums mitgestalten? Wo können sie mitbestimmen, wie ihre Stadt aussehen soll? Unsere Sicht dazu ist klar: dort, wo die Menschen wohnen, sollen sie auch die Möglichkeit haben, ihre Umwelt zu gestalten.
Obwohl es immer dringender wird: die Politik handelt zu wenig. Die Bürgerinnen und Bürger sollten und müssten Verantwortung dafür übernehmen, dass ihre Städte, ihre Kieze, so gerecht und ökologisch wie möglich werden. Dafür brauchen wir Strukturen direkter Demokratie in den Kiezen, eine Art „Kiez-Demokratie“: aktive Gestaltung des Kiezes durch die Menschen, die dort wohnen. Unsere Forderungen und Ziele:
- Bürgerinnen und Bürger gestalten ihren Kiez: Mitbestimmung durch Kiez-Parlamente und/oder BürgerInnen-Versammlungen
- ökologische Stadtgestaltung: Maßnahmen gegen die Überhitzung der Stadt wie Durchgrünung und Durchlüftung, weniger Beton und weniger Verkehr
- ein Mietkonzept, das für alle Menschen sozialverträgliche Mieten garantiert
- soziale und familienfreundliche Stadtplanung: öffentliche Plätze müssen kinder- und seniorenfreundlich sein
- wichtig: schönere Kieze dürfen nicht zu höheren Mieten führen
Wir verstehen unsere Initiative als Projekt zur Wiederbelebung der Demokratie. Es bleibt bei dem alten Motto: Global denken und regional handeln.
In einer Demokratie müssen die Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, selbst über den öffentlichen Raum zu bestimmen.
Oberschöneweide
Oberschöneweide ist ein übermäßig verdichtetes ehemaliges Industrieviertel, das wesentlich mehr grüne Binneninseln bräuchte, um die erwartbaren sommerlichen Hitzewellen zu mildern. Der Volkspark Wuhlheide allein genügt nicht, um das ganze Viertel zu ökologisieren. Die Nähe zur Spree müsste systematisch genutzt werden, um Luftströme des Flusses in den Kiez zu lenken. Was bedeuten würde: der monolithische Rathenaukomplex müsste aufgelockert werden. Nur schützenswerte Hallen sollten erhalten bleiben. Wir halten es für falschen Denkmalschutz, das Alte um des Alten willen zu bewahren.
Öffentliche Plätze für ein lebendiges Miteinander
Was dem Viertel vollständig fehlt, ist ein atmosphärischer Mittelpunkt, ein attraktiver Platz, auf dem sich die Menschen treffen können, um sich kennenzulernen, miteinander zu sprechen, politisch zu debattieren. Man könnte sagen: um sich als demokratisches Wesen zu erfahren. Demokratie ist keine Einrichtung isolierter Atome, die sich nicht kennen und die Fähigkeit des persönlichen Gesprächs verlernt haben. Das Aufkommen extremistischer Demokratiefeinde ist das Ergebnis einer Anonymisierung der Gesellschaft. Unter diesen Gesichtspunkten muss der Platz am Kaisersteg neu durchdacht und konzipiert werden.
Geeignete Hallen in der Nähe der Spree müssen der Bevölkerung für gesellige Zwecke geöffnet werden, Kinder müssen spielen können. Überdachungen, Bäume und Büsche können für Schatten sorgen, damit die Menschen sich dort gern aufhalten. Wie muss unser Gemeinwesen aussehen, damit wir uns als freie und gleiche Wesen begegnen? Wenn die modernen Großstädte diese Ursprünge politisch und städtebaulich demontieren, leidet auch unsere Demokratie darunter. Wir halten es für notwendig, dass diese stets aktuellen Grundfragen von der Bevölkerung debattiert werden: „Wie stelle ich mir die Zukunft meines Viertels vor?“