Projekt Stadtplatz am Kaisersteg in Oberschöneweide

1. Der Platz

In Berlin-Oberschöneweide gibt es einen Platz, der ein „Politischer Marktplatz“ sein könnte. Der Platz am Kaisersteg ist ein großer Platz, der aber lediglich als Durchgang genutzt wird, dabei könnte er seinen Bürger:innen viel mehr bieten.  Der Kaisersteg verbindet an diesem Platz die Ortsteile Ober- und Niederschöneweide und es gibt mittlerweile ein kleines Café direkt vor Ort.

Schön ist dieser Platz nicht, er ist grau und trist, weder für Kinder noch für Senioren bietet er Sitz- und Spielmöglichkeiten. Im Winter ist er zugig und kalt, im Sommer unerträglich heiß.

2. Das Problem des Urheberrechts an öffentlichen Plätzen

Verändert werden darf er jedoch nicht – denn er ist ein Kunstwerk. Entworfen und geschaffen von einem privaten Architekturbüro im öffentlichen Auftrag. Und als Kunstwerk genießt der Platz – nach Aussage der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen – ein lebenslanges und unbegrenztes Urheberrecht.

Dass in einer Demokratie ein öffentlicher Platz, der in öffentlichem Auftrag gestaltet und mit öffentlichen Mitteln finanziert wurde, juristisch dem Urheberrecht privater Architekten zugeordnet wird, ist eine politische, eine demokratische Bankrotterklärung.

Dieser Platz steht – auch – stellvertretend für andere Projekte in Deutschland, für die ebenfalls ein Urheberrecht gilt, welches Änderungen verhindert. Das Problem ist nicht neu und es gibt bereits juristische Auseinandersetzungen dazu.

3.  Der Marktplatz als sozialer und politischer Treffpunkt

Wir wollen den Platz am Kaisersteg lebendig und „bewohnbar“ machen. Dazu haben wir einen Entwurf erstellt mit Vorschlägen zur Neugestaltung dieses Platzes.

Unser Ziel ist die Schaffung eines zentralen Ortes für alle Bürgerinnen und Bürger, wo sie sich treffen und – auch wettergeschützt – länger aufhalten können. Einen Ort zum Wohlfühlen, an dem eine angenehme und multikulturelle Sphäre entstehen kann.
Ein grüner Platz für Spiel und Sport, für Klein und Groß, Jung und Alt. Ein Ort zum ins Gespräch kommen, auf dem lokale und internationale Themen der Politik und Verwaltung diskutiert werden und wo politische und kulturelle Veranstaltungen durchgeführt werden können. Ein echter politischer Marktplatz eben, wie er in jedem Ortsteil vorhanden sein sollte!

Unsere konkreten Vorschläge für die Gestaltung sind natürlich nur ein erster Entwurf und alles ist verhandelbar, aber die Ziele müssen klar zum Ausdruck kommen: eine politische Reaktivierung des Marktplatzes als Zentrum politischer und sozialer Partizipation für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger.

Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Parteien in den letzten Monaten haben ergeben, dass die meisten den Platz auch nicht schön finden, aber dass Versuche, die schon unternommen wurden, diesen Platz zu verändern, am Urheberrecht des Architekten gescheitert seien.
Die LINKE-Abgeordnete Frau Katalin Gennburg hatte sich bei unserem Gespräch im September bereit erklärt, eine offizielle „Schriftliche Anfrage im Abgeordnetenhaus Berlin“ zu diesem Thema zu stellen. Das Ergebnis hat unsere bisherigen Recherchen (leider) bestätigt.

Diesen Zustand wollen wir nicht hinnehmen und fordern mit unserer Bürgerinitiative eine politische Überprüfung des Urheberrechts und eine Umgestaltung des Platzes.

4.  Der Stadtplatz am Kaisersteg heute

Der „Stadtplatz am Kaisersteg“ umfasst insgesamt ca. 14.000 qm und befindet sich am Spreeufer in Berlin-Oberschöneweide, innerhalb eines größeren Areals von alten, meist unrenovierten, heruntergekommenen – häufig denkmalgeschützten – Gebäuden und Industrie-Anlagen.
Das Areal von Fabrikanlagen (AEG), Verwaltungs- und Wohnbauten entlang der Spree war am Ende des 19. Jahrhunderts einer der wichtigsten Industriestandorte Berlins und nach dem 2. Weltkrieg der größte Industriestandort der DDR. Nach der Wende brachen die Betriebe zusammen oder wurden abgebaut. Nur wenige konnten sich mit hochspezialisierten Technologien behaupten. Noch heute stehen weite Teile der Industriebauten leer.
Der Stadtplatz am Kaisersteg wurde 2005/2007 von Architekten (im Rahmen eines Gutachterverfahrens) gestaltet: Daraus wurde ein leerer, unfreundlicher, gepflasterter oder betonierter Platz, auf den der Architekt als Kunstwerk ein lebenslanges Urheberrecht besitzt.

Der Platz besteht aus 3 Abschnitten:

A. dem viereckigen Hauptplatz,
auf dem sich an einer Seite ein Gras-Streifen mit unbequemen Bänken befindet sowie wenige kleine Bäume. Der gesamte Platz besteht fast ausschließlich aus einer großen grauen Stein-Fläche, an der einen Seite befindet sich ein Weg, der zur der Brückenauffahrt führt. Dieser Weg ist sehr gefährlich, weil Fußgänger, vor allem kleine Kinder, Rollstuhlfahrer und Kinderwägen von schnell fahrenden Fahrradfahrern aus beiden Richtungen bedroht sind.

B. der langgezogenen Kran-Bahn-Fläche

C. einer dreieckigen Wiesenfläche

Zustand des Platzes

Der Platz ist verwahrlost, überall wächst Unkraut zwischen den Steinen, ständig muss man mit Glassplittern und zerbrochenen Flaschen rechnen. Meistens ist der Platz menschenleer, belebt nur als Durchgangsweg zur Brücke, die in den Ortsteil Niederschöneweide, zu einem Kleinkinderspielplatz und einem Bolzplatz auf der anderen Seite der Spree führt.
Diesen Platz als „attraktiven Treffpunkt von Oberschöneweide“ zu bezeichnen – wie Vertreter des Senats diesen Zustand zu rechtfertigen versuchen – ist ein Witz.

5. Altlasten

Wir gehen – vorläufig bis zu einer weiteren Klärung – davon aus, dass die gesamte Versiegelung des Platzes notwendig war und ist, weil sich im Untergrund eventuell noch „altlastenbehaftetes“ Material aus den alten Industrie-Anlagen befinden könnte.
In der Antwort auf die Senats-Anfrage von Frau Gennburg wurde nur sehr allgemein formuliert: „Aufgrund der hohen Umweltbelastung wurden Altlasten beseitigt.“
Ansonsten wird als Begründung für die „festen Flächen“ angegeben, dass man einen „überregionalen Kulturstandort“ geplant habe und „mit einem regen Besucherverkehr“ rechnete. „Auch sollte der Platz als Ausstellungsfläche geeignet sein, um darauf Stadtteilfeste und andere Veranstaltungen durchführen zu können.“

Seitdem sind über 10 Jahre vergangen und es gibt weder einen regen Besucherverkehr, noch Ausstellungen, noch Veranstaltungen irgendwelcher Art. Die Funktion des Platzes in der ursprünglichen Planung wurde also bis heute nicht realisiert!

Unsere Vorschläge für diesen Platz berücksichtigen zunächst eine vermutliche Notwendigkeit der Flächen-Versiegelung aus Umweltgründen und enthalten daher keine Komponenten, die voraussetzen würden, die Steinflächen großflächig aufzubrechen.

6.  Ideen für eine Neugestaltung des Platzes

A. Der Hauptplatz
a) Vorschläge, um auch einen längeren Aufenhalt auf dem Platz zu ermöglichen:

  • Eine überdachte Pergola an den Seiten
  • Sitzgelegenheiten, Rundtische, Bänke aller Art
  • Bäume, Hochbeete, Pflanzkästen oder sonstige mögliche Begrünung.
  • Eine feste Abgrenzung zum Fahrradweg – zum Schutz der Kinder!
  • Barrierefreiheit
  • Toiletten und Wickelraum
  • Wlan Hotspot
  • Trinkwasser-Stelle
  • Ein Schwarzes Brett für Tausch-und Schenk-Infos, Plakate, Ankündigungen etc.

b) Vorschläge für Politik und Kultur:
Eine kleine überdachte Bühne mit Steinsitzen für Publikum böte vielfältige Möglichkeiten für politische Gespräche, lokale Debatten,  für kulturelle Aufführungen wie Straßentheater,  Kindertheater, Musik, auch länderspezifische Aufführungen wie Tänze, Informationen über Sitten und Gebräuche anderer Länder u.a.

c) Internationale Spiele für Jung und Alt:
Spiele für Erwachsene mit aufgemalten Spielfeldern (z.B. Schach, Backgammon/Nardi, Kalaha o.a.), eine Boulebahn etc.
Für Kinder Aktions- und Spielflächen, Murmelbahn, Balancier- und Klettergeräte etc. aufgemalte wetterfeste Spiele, typische Kinderspiele aus anderen Ländern, Kreidemalen u.a., ein internationaler Fahnenbaum etc.

B. Die Kran-Bahn-Fläche
a) Auf der Flächenmitte: Platz für Wochen- und Flohmärkte oder sonstige Veranstaltungen.
b) An den beiden Seiten: Urban Gardening (oder städtisch verwaltete Grünanlagen), die u.a. gezielt die Stahlteile der Kranbahn „überwuchern“, um die Verbindung zwischen Industrie und Natur zu symbolisieren. Sitzbänke entlang der Kranbahnanlage.

C. Das Wiesen-Dreieck
Aus der im jetzigen Zustand verwahrlosten „Hunde“wiese könnte eine attraktive Grünanlage gestaltet werden – z.B. mit Skulpturen der hier ansässigen Künstler. Entlang des Spree-Ufers könnten Liegebänke und an den Wegen um die Wiese herum weitere Sitzbänke zum Verweilen aufgestellt werden.

Übrigens: Ein ökologisches, generationenübergreifendes, internationales, künstlerisch und ästhetisch anspruchsvolles sowie demokratisch lebendiges Projekt wäre auch für Touristen ein attraktiver Anziehungspunkt – und es würde erfahrungsgemäß weniger Vandalismus vorkommen.